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Mehr Geld fürs Pflegepersonal! Und die Kinder!

Je länger es mit den Einschränkungen des öffentlichen Lebens dauert, umso höher schlagen die Wellen der Diskussion und des Protests. Schon länger als ein Jahr müssen wir mit verschiedenen Ausnahmezuständen fertig werden, und es ist deprimierend, dass ein Licht am Ende des Tunnels noch nicht wirklich zu sehen ist. Das erhöht die Nervosität. Die Nerven liegen blank. Die Schärfe der Auseinandersetzungen um die Initiative der Schauspielerinnen und Schauspieler „allesdichtmachen“ ist dafür ein trauriges Beispiel. Es kämpfen in den Internetforen Menschen gegeneinander, die alle mit den wesentlichen Entscheidungen nichts zu tun haben, sich nun aber auf der Ebene der Gesinnungen und Haltungen bittere Vorwürfe machen, als ginge es bei jedem Einzelnen ums Ganze.

Das verstellt den Blick aufs Wesentliche: auf die Ökonomie und auf die tatsächlichen – und eigentlich hinlänglich bekannten – Fehler der herrschenden Politik.

Beispiel 1: Die Lage in den Krankenhäusern, die Situation des Pflegepersonals. Wir hören täglich von der Angespanntheit der Lage, und es wird in uns ein Gefühl erzeugt, als seien wir unmittelbar mit unserem Verhalten dafür verantwortlich. Es wird von Pflegerinnen und Pflegern berichtet, die wegen ihrer Überlastung kündigen, und es wird ein allgemeiner Mangel an Pflegekräften beklagt – aber die einfachste Antwort, um diesem Mangel zu begegnen, wird nicht gegeben. Es gibt keine – oder nur eine geringe, der Lage nicht angemessene – Erhöhung der Gehälter. Das, was in der Marktwirtschaft doch als das Normalste von der Welt gepriesen wird – dass, wenn man Leute braucht, dies durch entsprechende finanzielle Angebote geregelt wird –: Hier findet es einfach nicht statt. Das heißt, die bestehende Lage wird als unveränderbar angenommen – und die gesamte Organisation der Gesellschaft mit all ihrer unverzichtbaren Öffentlichkeit der Schulen, Universitäten, Theatern, Konzerthallen, Sportstadien und Vereinen wie auch die reiche Struktur des Einzelhandels, der Gastronomie, des Reisens und der Beherbergung wird an dieser scheinbar unveränderbaren, ein- für allemal gegebenen Lage orientiert. Die ganze Lockdown-Politik bemisst sich neben der – im Übrigen sehr umstrittenen – 7-Tage-Inzidenz an der Lage auf den Intensivstationen. Aber diese Lage ist doch gar nicht unveränderbar! Sie könnte doch verändert werden! Das freilich kostet Geld.

Nun könnte hier eingewendet werden, dass auch dann, wenn die hier vorgeschlagenen Schritte gegangen würden, die Zahl der Covid-19-Kranken noch lange nicht reduziert wäre. Ja, das stimmt. Aber es wäre der ungeheure Druck auf die Gesellschaft insgesamt vermindert; es wäre der Blick freier für die vielen Langzeitprobleme, die sich aus der Lockdown-Politik für alle anderen ergeben. Wir wissen von den vielen verschobenen Operationen und Reha-Behandlungen, wissen von psychischen Erkrankungen und erleben sehenden Auges, welch großen Schaden der gesamte Kulturbereich nimmt. Die jetzige Lockdown-Politik vermittelt den Eindruck, als könne die Gesellschaft eigentlich auf Theater, Konzerte, Straßenkultur, Kunstmärkte, Sportveranstaltungen und die mit all dem verbundenen gemeinsamen Erlebnisse dauerhaft verzichten. Aber alle menschliche Erfahrung sagt: Das stimmt nicht!

Indes: Obwohl die Lage so ernst ist, ist sie offenbar nicht ernst genug, um zu erreichen, dass die Gesundheitsämter auch am Wochenende arbeiten und täglich auf elektronischem Wege verlässliche Zahlen ans Robert-Koch-Institut übermitteln. Nicht einmal dafür hat es bisher gereicht – in einem ganzen Jahr verschiedener Lockdown-Phasen.

Beispiel 2: Und gereicht hat es eben auch nicht für eine Ausstattung der Schulen, die es jedem Kind ermöglicht, seiner gesetzlichen Pflicht zum Schulbesuch nachzukommen und sein gesetzliches Recht auf Bildung wahrzunehmen. Kein flächendeckendes Breitband-Internet, keine durchgehende Ausstattung der Schulen mit Luftfilteranlagen, zu langsame Impfung der Lehrkräfte. Und wieder dieser Widerspruch mit dem permanent erzeugten Druck auf die Bevölkerung. Dieser Druck ist groß – aber der Mut der Regierung, aus dem verschlafenen Sommer 2020 zu lernen und mit gesetzlichen Regelungen dafür zu sorgen, dass schnell und unbürokratisch die erforderlichen Geldmittel bereitstehen, ist nur sehr klein.

Beispiel 3: Dem Börsenindex DAX geht es gut. Wachstum. Neue Rekordmarken. Große Gewinne großer Konzerne. – Aber es ist doch Krise? Eine Krise, die sich tief in das Leben von Millionen Menschen hineinfrisst? Ja, es ist Krise, und in der Krise – das war schon immer so – machen manche saftigen Gewinn. Die Zusammenhänge sind nicht transparent, aber dennoch klar durchschaubar. Da wird die Impfstoffentwicklung mit Milliardenbeträgen aus Steuermitteln – also öffentlichen Geldern – gefördert, und alle stimmen gern zu, denn nichts ist so wichtig wie ein handfestes Instrument gegen die Pandemie – aber die für die Impfstoffe erteilten Patente sind privat. Sind privates Kapital, sind – wie wir bei Marx lesen können – „Mehrwert heckender Wert“, dienen privater Reichtumsanhäufung, machen Aktienbesitzerinnen und Aktienbesitzer glücklich, und wer die Patente hat, bestimmt die Preise und die Menge, die auf den Weltmarkt kommt. Und dann gibt es Länder – wie jetzt gerade Indien –, in denen die Infektionen in katastrophalem Ausmaß zunehmen, und dringend notwendig wäre eine Freigabe der Patente, damit viele weitere Fabriken Impfstoff herstellen können, aber das so offensichtlich Notwendige geschieht nicht.

Und was ebenfalls nicht geschieht, ist eine Besteuerung der in der Krise gemachten Extragewinne. Das ist dieser schreiende Widerspruch: Auf der einen Seite erhöht die herrschende Politik unablässig den Druck auf die Bevölkerung, und auf der anderen Seite scheut sie eine Besteuerung der großen Vermögen und der Extragewinne aus der Krise wie der Teufel das Weihwasser. Sie predigt Solidarität – und hat nicht den Mut, diese Solidarität auch den Millionären, Multimillionären und Milliardären abzufordern.

Dies alles sind die Fragen, die – so denke ich – in den Mittelpunkt der Debatte gehören. Bestärkt werde ich in diesem Denken durch die Erfahrungen, die ich als Vorsitzende der Unabhängigen Expertenkommission zur Untersuchung der Vorgänge am Ernst-von-Bergmann-Klinikum im März/April 2020 gemacht habe. Wo immer das Gesundheitswesen den Interessen des Marktes genügen soll, wird es nicht in der Lage sein, ein so komplexes Geschehen in den Griff zu bekommen, wie es eine Pandemie darstellt. Gesundheit ist ein öffentliches Gut, es gehört in die öffentlich Hand und den Profitinteressen der großen Konzerne entzogen.


Folgt mir auf .... :-)

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